Krieg oder Krise? Warum Sie den Unterschied kennen sollten

Es schreckt mich auf, dass in Zeiten wie diesen sehr schnell Vokabular aus der Kriegssprache auftaucht: hamstern, Verschwörung, Schlachten, der Krieg gegen das Virus, Saboteure, Notstandgesetze, Ermächtigung … Worte, die mich aufwühlen und Unwohlsein auslösen.

Es macht mir Bauchweh, weil hier zwei wesentliche Dinge durcheinandergebracht werden: Wir sind nicht im KRIEG, sondern in einer KRISE – und die braucht völlig andere Bewältigungsstrategien.

In KRIEGSZEITEN geht es um richtig und falsch, und „falsch“ sind dann immer die anderen: Sie sehen Dinge falsch, denken falsch über gewisse Angelegenheiten, machen Dinge falsch. Wir trauen anderen nicht mehr über den Weg, hören auf, unseren Mitmenschen gute Absichten zu unterstellen. Menschen teilen unterschiedlichste Theorien, Ansichten, Meinungen, tragen Wissen und Halbwissen zusammen – und wissen bald selbst nicht mehr so genau, was jetzt gut recherchierte Informationen sind, die uns weiterhelfen und was FakeNews, die vielleicht dazu dienen, dass Menschen sich in Szene setzen oder Unruhe und Verwirrung stiften. Und die Gefahr dabei ist, dass wir uns mit Dingen beschäftigen, die für die Bewältigung einer Krise eben nicht hilfreich sind.

WIR BEFINDEN UNS IN EINER KRISE, NICHT IN EINEM KRIEG

Das griechische Wort „krisis“ heißt nichts anderes als „entscheidende Wendung“. Wir erleben eine entscheidende Wendung, wenn bestehende Strukturen, unser gewohnter Alltag, unsere Systeme in Frage gestellt werden und wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher. In Krisenzeiten sind wir von einem Moment auf den anderen einer Situation ausgesetzt, von der wir noch nicht wissen, ob wir sie bewältigen können und wie das dann ausgehen wird.

DOCH WAS IST DAS WIRKLICH HERAUSFORDERNDSTE IN EINER KRISE?

Es ist und bleibt das Gefühl der Ohnmacht: „Ich bin verdammt, das hier zu erleben, das hier aushalten zu müssen!“ – und ich kann nichts, aber auch gar nichts tun, auch nicht mit all meinen Gedanken, Theorien und Deutungen, um das Ganze ungeschehen zu machen.

Ich muss zugestehen, dass mir im Moment die Kontrolle über die Dinge aus der Hand genommen ist.  So ist das, wenn ich plötzlich einer schweren Krankheit, dem Tod eines lieben Menschen, einem Unfall oder einem anderen Schicksalsschlag ausgesetzt bin – so ist es auch jetzt in dieser gesellschaftlichen, weltweiten Corona-Situation.

IN KRISENZEITEN brauchen wir im Grunde nur zwei Dinge: zum einen Rückzugsmöglichkeiten, um unseren Gefühlen und der Lage Raum zu geben und uns neu zu sortieren. Und zum anderen sind es Menschen, die zuhören, beistehen, Halt geben, Trost spenden und uns daran glauben lassen, dass das Leben weitergeht – wenn auch vielleicht anders als zuvor.

Die krisis, die „entscheidende Wendung“ liegt bei uns – wir haben die Wahl, aus welcher Haltung heraus wir die Situation bewältigen wollen.